Flaschen, eine Klingel und ich
Der Tag ist noch frisch und die Luft kühl. Ich steige aus der Bahn - in meiner Hand eine leere 1,5 Liter Flasche, ehemals mit Wasser gefüllt. Ich betrete zielstrebig den einzigen Lebensmittelladen weit und breit. Er steht hier schon recht lange - man sieht es ihm an - und hat bereits die Planwirtschaft überlebt. Die Flasche will zurückgegeben und gegen eine neue ausgetauscht werden. Der Laden ist klein - ich muss "klingeln", um das Leergut gegen 25 Cent eintauschen zu können. Es eilt - im Gegensatz zu sonst - niemand herbei. Ich warte geduldig, klingle zaghaft ein zweites Mal - nichts passiert. Ich betätige den Signalgeber ein drittes Mal - die Zeit rennt mir davon. Ich bin pünktlich, und will es bleiben. Der Annahmetresen bleibt weiterhin unbesetzt. Ich mache mich auf den Weg zur Kasse - in den Händen nun zwei Flaschen. Die Kassiererin sitzt gelangweilt hinter ihrem Arbeitsgerät - ich komme sofort dran. Ich frage mich, warum sie zuvor nicht die leere Flasche entgegengenommen hat. Ist ja auch egal, gebe ich sie ihr eben jetzt. Beide Flaschen landen auf dem Band. Ein verstörtes Gesicht überlegt kurz, schaut mich mit müden verquollenen Augen an und spricht: "Was soll ich jetzt damit?". Ärger keimt in mir auf. "Mir diese blöde Flasche abnehmen, ich hab doch geklingelt", denke ich. "Wenn sie Klingel-resistent sind", antworte ich stattdessen, zahle die volle Flasche und verschwinde in den anbrechenden Tag.
dense_fog - 6. Dez, 19:39
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